Nierentumor

Etwa 15.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Nierenkrebs. Wird er in einem frühen Stadium erkannt, ist der Tumor gut behandelbar. 

Entstehung

Die genauen Gründe, warum ein Nierenzell-Carcinom auftritt, sind heutzutage noch nicht im einzelnen geklärt. Man weiß jedoch, dass Umwelteinflüsse, familiäre Belastungen sowie genetische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Nierenzell-Carcinomen spielen.

Rauchen, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit sowie Übergewicht werden mit dem Auftreten von Nierenzell-Carcinomen in Verbindung gebracht.

Ebenso ist ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Nierenzell-Carcinomen und verschiedenen anderen Nierenerkrankungen wie chronische Niereninsuffizienz belegt.

Des Weiteren scheinen Umweltfaktoren wie z.B. Asbest- und Cadmiumexposition sowie genetische Faktoren wie beispielsweise das Von-Hippel-Lindau-Syndrom oder die tuberöse Sklerose bei der Entstehung von Nierenzell-Carcinomen eine Rolle zu spielen.

Symptome

Nierenzell-Carcinome zeigen üblicherweise keine Frühsymptome. Erst in fortgeschrittenen Stadien zeigen sich häufig Symptome wie Abgeschlagenheit, Übelkeit, Gewichtsverlust und Blutarmut.

Diagnostik

Eine Raumforderung der Niere wird heute meistens im Rahmen von Untersuchungen zur Abklärung anderer Erkrankungen oder bei Vorsorgeuntersuchungen zufällig entdeckt.

Bildgebende Verfahren

Fällt eine Raumforderung der Niere auf, so ist eine weitere Abklärung moderner bildgebender Verfahren wie Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) notwendig, um die Ausdehnung der Raumforderung zu begutachten und zwischen gutartigen und bösartigen Raumforderungen zu unterscheiden. Des Weiteren können durch solche bildgebenden Verfahren Aussagen über das Vorliegen von Tochtergeschwülsten (Metastasen) in anderen Organen wie Leber, Nebennieren, Milz, Lymphknoten getroffen werden.

Weitere diagnostische Maßnahmen

Selbstverständlich gehört zu den diagnostischen Maßnahmen auch eine genaue Untersuchung des Patienten mit einer exakten Erhebung der Krankheitsgeschichte (Anamnese) sowie Blut und Urinuntersuchungen.
Je nach vorliegenden Befunden können in Ausnahmefällen weitere Untersuchungen notwendig werden, z.B. eine Knochenzintigraphie. 

Therapie bei Nierentumor

Ziel ist es, Nierenzell-Carcinome möglichst in einem frühen Stadium zu entdecken, um durch operative Maßnahmen eine Heilung herbeizuführen.

Durch die Einteilung in Stadien wird eine Aussage darüber getroffen, wie weit der Tumor fortgeschritten ist. Es existieren mehrere Modelle zur Stadieneinteilung, jedoch spricht man vereinfachend und im allgemeinen vom Stadium I bei einem Tumor, der auf die Niere beschränkt ist. Stadium II bedeutet, dass der Tumor aus der Nierenkapsel ausgebrochen ist. Stadium III bedeutet, dass Lymphknoten oder Blutgefäße betroffen sind und Stadium IV bedeutet, dass in anderen Organen bereits Tochtergeschwülste vorliegen.

Operation des Nierentumors

Während der offene Zugang noch vor Jahren für die partielle Nierenteilresektion favorisiert wurde, gelten der offene, laparoskopische und roboter-assistierte Zugang derzeit als gleichberechtigt – allerdings abhängig von der Erfahrung und den Fähigkeiten des Operateurs und des Zentrums.

An unserer Klinik werden derzeit nahezu 80% der Nierentumore organerhaltend operiert. Die roboter-assistierte Nierenteilresektion hat die offene Schnittführung vollständig ersetzt. Aufgrund unserer großen Erfahrung mit über 800 DaVinci-Nierenteilresektionen in den letzten Jahren konnte die Methode deutlich verbessert werden. Insbesondere bei zentralen und endophytischen Tumoren bietet die Da-Vinci- Operation Möglichkeiten, die sich offen nicht verwirklichen lassen.

Dies ist bedingt durch die Fluoreszenz-Technik, bei der ein Farbstoff gespritzt wird, nachdem die  zum Tumor führende Arterie abgeklemmt wurde. Dadurch bleibt die restliche Niere durchblutet, während nur der schwarz angefärbte, tumortragende Anteil von der Durchblutung abgeschnitten ist. Wir führen als einzige Klinik in Deutschland auch die Kontrastmittel-Sonographie und ebenso die Duplex-Sonographie während des Eingriffes durch. Dadurch können wir die Arterien herausfinden, die den Tumor versorgen. Diese können separat abgeklemmt werden. Die durchschnittliche Abklemmzeit beträgt von 5-8 Minuten.

Komplexer Tumor

In der Vergangenheit war die Tumorgröße ein Prädiktor für Komplexität und Morbidität bei der Nierenteilresektion. Zum objektiven Vergleich von Operationstechniken bei klinischen Studien und zur Vorhersagbarkeit von Komplikationen im klinischen Verlauf wurden neue anatomische Klassifikationssysteme eingesetzt wie z. B. der von uns verwendete PADUA- (Preoperative Aspects and Dimensions used for an Anatomical Classification)- Score (4). Beim PADUA-Score wird neben der Größe des Tumors auch die Lage, die Nachbarschaft zum Sinus renalis und zum Hohlsystem sowie die Position des Tumors in Bezug zur Oberfläche (endophytisch oder exophytisch) bewertet. 40 % unserer Nierentumore weisen einen PADUA-Score von 10–12 auf und sind somit hochkomplexe Tumore.

Präoperative Diagnostik

Ziel bei komplexen Tumoren ist es, nur das Gewebe zu devaskularisieren (von der Durchblutung auszuklemmen), das exzidiert werden soll. Der Rest der Niere sollte weiterhin durchblutet werden. Dazu ist eine optimale präoperative Diagnostik notwendig. Die CT-Aufnahmen sollten eine arterielle Frühphase mit 0,5–1 mm Schichten beinhalten, um eine 3D-Rekonstruktion anfertigen zu können. Die Planung der Operation ist deshalb nicht mehr „tumorbasiert“, sondern „gefäßbasiert“.

Die Wahl des Zugangs

Für seitlich und an der Hinterseite gelegene Tumore ist der retroperitoneale (hinter dem Bauchraum) Zugang (RP) vorteilhaft, da eine komplette Mobilisation und anschließende Fixation der Niere nicht notwendig sind. Die Vorteile des RP-Zugangs liegen in der kürzeren Operationszeit und dem früheren Beginn der Darmtätigkeit. Bei eventuellen Komplikationen (Blutung, Urinom) besteht ein abgegrenztes Kompartiment zur Bauchhöhle. Bei Zustand nach vorherigen Bauchoperationen ist das mühsame Lösen der Verwachsungen nicht notwendig. Medial gelegene Tumore erfordern nach wie vor den transperitonealen Zugang (TP), vor allem wenn sie mit Peritoneum bedeckt sind. An einem Zentrum sollten beide Techniken beherrscht werden, um zum Wohle des Patienten eine „maßgeschneiderte“Therapie für jeden Tumor durchführen zu können. Zum Erlernen der Robotertechnik ist der TP-Zugang einfacher und den meisten Operateuren vertrauter. Die Vorteile der Roboter-assistierten Technik kommen hier zum Tragen: 3D-HD-Sicht, vermehrte Freiheitsgrade der Instrumente und verbesserte Rekonstruktion ohne Einschränkung der Bewegungsfreiheit.

Als Nachteil zeigt sich die komplette Mobilisation bei dorsalen- oder Oberpoltumoren mit medialer Rotation. Schlechte Sicht des dorsalen Randes kann bei posterior gelegenen Tumoren auftreten. Der RP-Zugang ist schwieriger zu etablieren als der TP. Schon durch das Einreißen des Peritoneums und nicht adäquates Setzen der Trokare kann es zu Problemen kommen, die möglicherweise einen Abbruch der Roboter-assistierten Operation zur Folge hat. Dies ist gerade in der Lernphase problematisch, da der Operateur noch viele andere technische Herausforderungen meistern muss.

Während der OP alles im Blick

Durch eine Drop-in-Ultraschallsonde hat der Operateur die Möglichkeit, an der Konsole sowohl das Ultraschallbild im Monitor zu beobachten (TilePro), als auch mit einem robotisch gesteuerten Instrument die Sonde zu dirigieren. Damit können die Grenzen des Nierentumors präzise definiert, intrarenale Tumore aufgefunden und eine korrekte Dissektion ohne positive Schnittränder durchgeführt werden. Gleichzeitig kann bei exakter Definition der Tumorränder mehr gesundes Gewebe erhalten werden.

Die Duplex-Sonografie gibt uns die Möglichkeit, durch Abklemmen der zum Tumor führenden Arterie die Durchblutung in der Umgebung des Tumors zu definieren. Dies geschieht am einfachsten mit einer robotischen Pinzette, die das Gefäß komprimiert. Ein noch präziseres Bild ergibt sich nach Applikation von Ultraschall-Kontrastmittel. Das durchblutete Areal wird durch oszillierende Bläschen dargestellt. Nach Abklemmen der Arterie ist kein Oszillieren mehr sichtbar. Der Vorteil dieser Methoden besteht darin, dass sie in kürzester Zeit wiederholt werden können, um weitere tumorversorgende Arterien zu definieren.

Eine exakte, farblich definierte Abgrenzung der Durchblutung bei selektivem Abklemmen kann durch Fluoreszenz Imaging mit Indocyaningrün (ICG) erreicht werden (Firefly-Technik). Das durchblutete Areal leuchtet grün. Das nicht durchblutete Gewebe bleibt nach Umschalten in den Infrarotbereich dunkel. Der Nachteil liegt darin, dass diese Untersuchung erst nach 20 Minuten wiederholt werden kann, wenn das ICG abgeflossen ist.

Die Exzision

Vor der Exzision werden das benötigte Nahtmaterial sowie die Bulldog- Klemmen eingegeben. An den Bulldog-Klemmen sollte ein etwa 10 cm langer Faden angeknotet sein, damit abfallende Klemmen intraperitoneal sofort wiedergefunden werden. Dies ist bei dem retroperitonalen Zugang nicht notwendig, da hier keine Darmschlingen vorhanden sind. Nach Rücksprache mit dem OP-Team und der Anästhesie beginnt das Abklemmen der vorher definierten Gefäße.

Technik der Exzision und Rekonstruktion

Der Tumor wird scharf und ohne Koagulation entfernt, um gut beurteilbare Resektionsränder zu erhalten. Mit einer fortlaufenden zentralen Naht werden die Gefäße umstochen, das eröffnete Hohlsystem wird ebenfalls mit einem resorbierbaren Faden (V- lock 4.0) wieder verschlossen.

Danach werden die Bulldog-Klemmen entfernt (Early-unclamping-Technik). Dieses Vorgehen hat zwei Vorteile: Die warme Ischämiezeit ist um rund die Hälfte reduziert und sichtbare arterielle Blutungen können gezielt umsto- chen werden. Erst nach vollständiger Blutstillung erfolgt die Rekonstruktion in „Sliding-Clip-Renorrhaphie“. Dies geschieht nach Applikation von Vicryl- Einzelnähten, die am Ende des Fadens mit einem Weck-Clip armiert sind, dahinter ein sichernder Knoten. Es ist entscheidend, dass vor Durchführung der Adaptation die Blutung steht. Bei exakter Durchführung dieser Technik kann auf blutstillende Mittel verzichtet werden, die bei einer späteren radio- logischen Kontrolle ein Tumorrezidiv vortäuschen können.

Erfahrungswerte

An der Missioklinik wurden bisher über 800 Roboter-assistierte Nierenteilresektionen durchgeführt, 40 % der Patienten hatten einen PADUA-Score von 10–12, lagen also in der höchsten Komplexitätsgruppe. Durch immer größere Erfahrung und Anwendung der zuvor beschriebenen Operationstechniken war die Komplikationsrate nicht höher als bei den kleinen, weniger komplexen Tumoren, wobei hier auch eine gewisse Lernkurve beinhaltet war. Bei etwas längerer Operationsdauer konnte die Ischämiezeit auch bei anspruchsvollen Konstellationen kurz gehalten werden, das heißt sie lag bei etwa 12 Minuten.

Im postoperativen Verlauf konnten bei der Komplikationsrate keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Die RAPN ist somit auch bei hoch komplexen Tumoren in unserer Klinik die Therapie der Wahl. Von 78 durchgeführten Nierenteilresektionen im Jahre 2014 wurde nur eine Operation mit dem offenen Zugang durchgeführt.


Roboter-assistierte Eingriffe sind minimal-invasiv und daher besonders schonend. 
Roboter-assistierte Eingriffe sind minimal-invasiv und daher besonders schonend. 
Statistik über die durchgeführten Therapieverfahren bei Nierentumoren (durch Klick vergrößerbar)
Statistik über die durchgeführten Therapieverfahren bei Nierentumoren (durch Klick vergrößerbar)